…wenn die Welt mal nicht…

…so bunt ist.

 

Ich habe es schon angekündigt, dass ich mich in nächster Zeit größeren ‚Brocken‘ widmen möchte. Auch aus Gründen, da immer wieder Fragen zu diesen Themen kommen, die ich einfach nicht beantworten kann, und vielleicht auch nicht möchte. Ja richtig erraten es geht um die dunklere Seite des Lebens, wenn es gerade nicht so Lustig ist.

 

Heute: Interview mit Prim. Priv.-Doz. Dr. Georg-Christian Funk

Facharzt für Innere Medizin, Lungenkrankheiten und Intensivmedizin
Abteilungsvorstand der 2.Medizinischen Abteilung mit Pneumologie
Karl Landsteiner Institut für Lungenforschung und Pneumologische Onkologie
Klinik Ottakring

 

Zum Thema Patientenverfügung

30.08.2021 – Herzlichen Dank für die Zusage und Ihre Zeit

 

Ein etwas heikles Thema, da hier meiner Meinung nach verschiedenen Faktoren zusammen treffen die wahrscheinlich nicht zu den angenehmsten in unserer Gesellschaft zählen.

Sterben, damit verbunden Angst, Unsicherheit und vielleicht Schmerz, und keine Klarheit wo und wie das Endet. Und natürlich Trauer und Loslassen.

 

In der Regel ist der Arzt verpflichtet den Patienten so lange wie möglich am Leben zu halten. der Hippokratisch Eid – https://www.aerztekammer-bw.de/10aerzte/40merkblaetter/20recht/10gesetze/hippoeid.pdf

 

Als Patient kann ich aber selbst in Situationen, in denen ich nicht mehr bei Bewusstsein bin, dem Arzt Vorgaben geben, ab wann ich gewisse Maßnahmen nicht mehr will und so sowohl Ihn als auch meine nahestehenden Personen von dieser Last befreien. Das ist das Ziel einer Patientenverfügung.

 

Lt. Österreich.gv.at – handelt es sich dabei um eine schriftliche Willenserklärung, mit der die künftige Patientin/der künftige Patient eine medizinische Behandlung (beispielsweise lebensverlängernde Maßnahmen) ablehnt und die dann wirksam werden soll, wenn sie/er im Zeitpunkt der Behandlung nicht entscheidungsfähig ist (beispielsweise, weil sie/er bewusstlos ist).

Eine Patientenverfügung ist keine letztwillige Verfügung im eigentlichen Sinn, weil darin keine Verfügung für die Zeit nach Todeseintritt getroffen wird.

 

In einer verbindlichen Patientenverfügung müssen die medizinischen Behandlungen, die abgelehnt werden, konkret beschrieben sein oder eindeutig aus dem Gesamtzusammenhang der Verfügung hervorgehen. Außerdem muss aus der Patientenverfügung hervorgehen, dass die Patientin/der Patient die Folgen der Patientenverfügung richtig einschätzt.

 

Die Ärztin/der Arzt muss sich in der Regel an diese Patientenverfügung halten.

Mehr Information dazu auf https://www.oesterreich.gv.at/themen/soziales/pflege/3.html

 

Eberhard Jordan: Warum wird so wenig über diese Möglichkeit gesprochen, denn eigentlich müsste vor jeder Operation dieses Thema angesprochen werden. Und wer könnte mir grundsätzlich bei der Erstellung der Patientenverfügung helfen?

 

Prim. Dr. Funk: Krankheit, Sterben und Tod sind normale Bestandteile des Lebens. Dennoch werden wir ungern daran erinnert, dass es uns ausnahmslos alle betrifft. In unserer Erfolgsgesellschaft sind Krankheit und Tod oft mit Versagen assoziiert und deswegen ein Tabu. Trotzdem haben viele von uns – vor allem jene, die von chronischen Erkrankungen wie COPD betroffen sind – das Sterben und den Tod immer im Hinterkopf. Bei Menschen mit COPD gibt es zB. häufig eine unausgesprochene Angst eines Tages ersticken zu müssen oder hilflos an Maschinen zu hängen. Eine Patientenverfügung hilft, diese Dinge proaktiv anzusprechen und zu regeln, welche Wünsche es für das Lebensende gibt. Erfahrungsgemäß ist es eine große Erleichterung für alle Beteiligten, wenn darüber gesprochen wird.

 

Die Patientenverfügungen können mit jeder Ärztin, jedem Arzt mit einem ‚Ius practicandi‘ erstellt werden. Es empfiehlt sich aber, dies mit einer Ärztin bzw. einem Arzt zu machen zu der bzw. dem man auch Vertrauen hat und die bzw. der sich mit der jeweiligen Krankheit auskennt.

 

Eberhard Jordan: Ich würde mich gerne auf den Bereich der COPD Patienten konzentrieren. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass eine künstliche Beatmung, wenn diese zu lange dauert und die Lunge und der Körper ermüdet auch ein Tiefschlaf notwendig sein kann – auch aus meinem näheren Umfeld weiß ich, dass es durchaus Sinn machen kann einen Luftröhrenschnitt durchzuführen. Bei vielen Situationen bin ich sediert und eigentlich selbst nicht mehr entscheidungsfähig. Was wäre jetzt generell sinnvoll das ich hier vorher geregelt habe.

 

Prim. Dr. Funk: Es empfiehlt sich vor allem jene Situationen zu regeln, in denen man nicht mehr selbst entscheidungsfähig ist und in denen das Leben dauerhaft von Maschinen abhängig ist. Bei Menschen mit COPD betrifft dies in der Regel Beatmungsmaschinen. Eine künstliche Beatmung mit einem Schlauch inkl. Luftröhrenschnitt kann auch bei COPD sinnvoll sein, wenn es gilt eine vorübergehende Störung der Atmung (zB. durch eine Lungenentzündung) zu überbrücken und die Lunge an sich noch Reserven hat. In dieser Konstellation gibt es auch realistische Chancen, den ursprünglichen Lebenszustand wieder herzustellen. Waren Lungenfunktion und Muskelmasse durch die COPD jedoch schon vor der akuten Krise hochgradig vermindert und die Verrichtungen des Alltags im Sinne von Gebrechlichkeit eingeschränkt, ist eine solche Beatmung mit Tiefschlaf und Beatmungsschlauch kritisch zu sehen. Die damit einhergehenden Belastungen (Schmerzen, Verlust der Autonomie, weiterer Abbau der Muskelmasse u.a.m.) sind in der Regel den Betroffenen nicht mehr zumutbar und es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften Beatmungsabhängigkeit. Viele der Betroffenen wünschen, dass für diese Situation (also erwartbar dauerhafte Abhängigkeit von künstlicher Beatmung), ein Symptom-linderndes (palliatives) Vorgehen, aber keine Beatmung mit Schlauch gewählt wird. Es ergibt Sinn, einen solchen Wunsch rechtzeitig in einer Patientenverfügung festzuhalten.

 

Eberhard Jordan: Unter gesundheit.gv.at https://www.gesundheit.gv.at/gesundheitsleistungen/patientenrechte/patientenverfuegung finden Sie im Bereich ‚Weitere Informationen und Beratung‘

Ratgeber Patientenverfügung mit Formulierungshilfen
Online-Formular zum Erstellen einer Patientenverfügung bzw. Erneuerung nach acht Jahren
Hinweiskarte

Und der Verweis, dass Sie die Patientenverfügung auch auf ELGA speichern lassen können – Speicherung in ELGA  (Hinweis: geplante ELGA-Funktion)

 

In einem Notfall wie weiß der Arzt wirklich, ob eine Patientenverfügung vorliegt oder nicht?

 

Prim. Dr. Funk: Wenn es ganz akut ist, dann weiss die Ärztin bzw. der Arzt das oft tatsächlich nicht. Es empfiehlt sich aber, den Angehörigen, dem praktischen Ärztin / Arzt, Lungenfachärztin/Arzt und den behandelnden Spezialabteilung ein PDF bzw. eine ausgedruckte Kopie der Patientenverfügung zukommen zu lassen. Neben dem zentralen Patientenverfügungsregister und ELGA erhöht dies die Wahrscheinlichkeit, dass die eigenen Wünsche im Ernstfall auch respektiert werden.

 

Eberhard Jordan: In diesen Richtlinien von gesundheit.gv.at steht, dass nach acht Jahren die Patientenverfügung erneuert gehört. Mir erscheint dieser Zeitraum relativ lange, insbesondere bei chronischen Krankheiten kann sich hier sehr viel ändern. Ist es möglich und sinnvoll kürzere Zeitrahmen zu nehmen?

 

Prim. Dr. Funk: Dieser Zeitrahmen gilt für die verbindliche Patientenverfügung. Diese empfehle ich selten, da sie aufwändig und teuer ist. Viel einfacher und in der Praxis genauso wirksam ist die beachtliche Patientenverfügung. Will eine Person dem Arzt für den Fall, dass er oder sie selbst den eigenen Willen nicht mehr äußern kann, eine Entscheidungshilfe geben, so kann eine beachtliche Patientenverfügung verfasst werden. Der Arzt ist nicht streng an die Inhalte der Patientenverfügung gebunden, er muss die Verfügung aber beachten und den Patientenwillen dokumentieren. So etwas kann unkompliziert mit dem behandelnden Arzt angefertigt werden und verhilft dem eigenen Willen zur Geltung.

 

Eberhard Jordan: Als ich meinen Kindern von dem Gedanken einer Patientenverfügung erzählt habe kam sofort ‚Papa da wollen wir mitreden, denn wir wissen besser, wie alle anderen wie zäh du bist‘.
Frage – ist es sinnvoll und möglich, dass zB. Kinder in diesen Prozessen mitwirken, und wäre es auch denkbar, dass zwar eine Patientenverfügung vorliegt, der Arzt aber dann gemeinsam mit den Vertrauenspersonen eine Entscheidung trifft?

 

Prim. Dr. Funk: Es ist im Prinzip immer sinnvoll, die Angehörigen einzubinden, besonders bei heiklen Dingen wie einer Patientenverfügung. Wenn es keine Patientenverfügung gibt und die/der Betroffene nicht entscheidungsfähig ist, können Angehörige auch dem mutmaßlichen Patientinnenwillen Ausdruck verleihen. Sie können und sollen aber nicht entscheiden, ob eine Behandlung stattfinden soll oder nicht. Ob eine Behandlung medizinisch indiziert (also sinnvoll, Ziel-führend und verhältnismäßig) ist, entscheidet die Ärztin bzw. der Arzt. Jede Patientin bzw jeder Patient hat das Recht eine Behandlung abzulehnen. In der Realität werden Angehörige immer in den Kommunikationsprozess eingebunden. Die finale Entscheidung was passiert oder nicht passiert, treffen dann aber Ärztin/Arzt und Patientin/Patient.

 

Eberhard Jordan: Mir ist aufgefallen, dass einige Punkte eine Konsequenz haben, die doch nicht gewünscht sein kann, zB. Ablehnung der Wiederbelebung, Antibiotische Therapie oder ganz extrem,

Künstliche Ernährung in jeder Form

Das würde doch heißen, Sie müssten den Patienten verhungern lassen?

 

Prim. Dr. Funk: Wenn das Leben zu Ende geht und der Sterbeprozess eingesetzt hat, ist es richtig, auf Leidens- und Sterbens-verlängernde Maßnahmen zu verzichten. Dazu gehören zB Wiederbelebung und antibiotische Therapie. Wenn unser Leben zu Ende geht und unser Sterben beginnt, hören wir irgendwann auf zu essen und zu trinken. Das ist ganz normal. In dieser Phase des Lebens ist die Zufuhr von künstlicher Ernährung nicht sinnvoll. Was wir hingegen immer gewährleisten können ist ausreichende Schmerztherapie und Maßnahmen, die etwaige Atemnot und Angst verhindern.

 

Eberhard Jordan: Beim Durchlesen der Formulierungsbeispielen auf gesundheit.gv.at ist mir ein Punkt als übergreifend und für mich als sinnvoll aufgefallen:

 

Sollte sich während einer laufenden Intensivbehandlung herausstellen, dass eine Besserung meines Zustandes nicht mehr zu erwarten ist, dann lehne ich die Fortführung lebensverlängernder Maßnahmen ab.

Wäre damit nicht alles gesagt, und was würde dann passieren?

 

Prim. Dr. Funk: Damit ist tatsächlich sehr viel Wichtiges gesagt. In so einem Fall wird sichergestellt, dass keine Schmerzen, keine Atemnot, keine Angst bestehen. Die Angehörigen werden verständigt, damit sie sich verabschieden können. Dann werden Leidens-verlängernde und somit sinnlose gewordene Maßnahmen beendet und die Patientin / der Patient verstirbt dann in der Regel bald. In meiner Tätigkeit als Intensivmediziner habe ich dies oft erlebt. Die allermeisten Menschen sind im Beisein ihrer Lieben friedlich eingeschlafen.

 

Eberhard Jordan: Und zu guter Letzt, hat das Ganze wieder einmal mit Geld zu tun. Soweit ich das gelesen habe, kann die ärztliche Beratung jeder Niedergelassene Hausarzt oder Lungenarzt durchführen, diese Leistung ist aber eine privat zu bezahlende, und es wird ein Rechtsanwalt oder Notar benötigt. Wie hoch sind diese zu erwartenden Kosten und es drängt sich für mich schon die Frage auf, würde es nicht Kosten sparen, wenn ich nicht bis zum Tag X ein Intensivbett blockiere? Einfach jetzt nur so flapsig gesagt.

 

Herr Prim. Dr. Funk: Geld spielt bei den Behandlungsentscheidungen im Krankenhaus keine Rolle. Richtig ist aber, dass für das lange Gespräch, das für eine Patientenverfügung erforderlich ist, aktuell keine Honorierung vorgesehen ist. Die Notwendigkeit von Rechtsanwalt und/oder Notar entfällt aber bei einer beachtlichen Patientenverfügung, die in aller Regel ausreichend ist.

 

Eberhard Jordan: Herzlichen Dank für Ihre Zeit und das Interview.

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